Entstehung, Reichweite und Wirkung von Infraschall aus Windanlagen

Prof. Dr. Werner Roos
Titisee-Neustadt (Februar 2022)

Mit dem Ausbau der Windenergie werden große Landschaftsbereiche mit Indus­trieanlagen bisher unbekannter Dimension überformt. Neben den unüberseh­ba­ren Folgen für Landschaft, Landschaftserleben und Artenvielfalt werden die An­woh­ner zunehmend mit dem Gesundheitsrisiko durch Schallemissionen konfron­tiert. Die größte Gefahr geht von nicht hörbaren Infraschall-Pulsen aus.

1. Welchen Schall emittieren Windenergieanlagen (WEA)?

Mechanische Wellen in einem elastischen Medium sind definitionsgemäß „Schall“, unterhalb von 16 Hz „Infraschall“. Der Verlauf des Luftdrucks an einer aktiven WEA lässt verschiedene Emissionen erkennen.

1.1. Hörbarer Schall (> 16 Hz)
(erzeugt an Flügeln und durch den Generator) wird bei intakten Anlagen meist bis etwa 1000 m gehört und ist bei gleichmäßigem Wind bis 2 km messbar. Es gibt in diesem Umkreis zahlreiche Gesundheitsbeschwerden. Die erlaubte Schall-Inten­si­tät regeln die Vorschriften der TA Lärm (in Wohngebieten 50 dB am Tage und 35 dB nachts). Die zu Grunde liegende DIN 45680 ist bisher nur oberhalb von ab 8 Hz gültig. Der wahrnehmbare Lärm kann durch technische Maßnahmen reduziert wer­den, etwa durch eine optimale Ein­stellung der Turbine und der Rotorflügel. Er ist dämmbar, d.h., er wird wie be­kannt durch natürliche Hindernisse und bauliche Maßnahmen (Fenster, Mauer, Dach etc.) verringert.

1.2. Verwirbelungen (Luftströmungen)
entstehen beim Durchschneiden der Luft durch die Flügel. Deren Reichweite in Anlagenhöhe wurde von der Windindustrie untersucht, um Beeinträchtigungen benachbarter Anlagen zu vermeiden. Solche Abstandsempfehlungen reichen vom 3-fachen bis zum 10-fachen Rotordurchmesser in Windrichtung (maximal ca. 1500 m). Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Wirbel sind m.W. nicht ernst­haft untersucht. Es fehlen solide Hinweise für das Eindringen der Wirbel in ge­schlos­­­sene Wohnhäuser oder ein Bezug zu den dort berichteten Gesundheits­pro­ble­men.

1.3. Infraschall (< 16 Hz)
Deutliche Hinweise auf ein Gesundheitsrisiko gibt es seit langem für den nicht hörbaren Infraschall. Die von WEA emittierte Version ist gekennzeichnet durch eine periodische Abfolge von steilen Pulsen, deren Frequenz durch die Drehzahl der Anlage bestimmt wird (luftgetragener Infraschall, s.u.). Windanlagen verur­sachen aber auch Vibrationen des Untergrunds (Körperschall), die besonders in festem Gestein über viele km transportiert werden können. In Gebäuden wurde die Interferenz dieses Körperschalls mit dem luftgetragenen Infraschall beobach­tet, die zu lokalen Verstärkungen führen kann. Luftgetragener Infraschall entsteht dadurch, dass, wenn der Mast von einem Rotorflügel passiert, ein Druckstoß her­vorgerufen wird. Der luftgetragene Infraschall besteht daher aus einer perio­di­schen Abfolge von Luftdruckpulsen mit einer Wiederholfrequenz, die von der Drehfrequenz des Rotors bestimmt wird (etwa 1 Hz). Das Spektrum des Infra­schalls weist neben der Grundfrequenz Oberschwingungen auf (von Akustikern als "Flügelhar­monische" bezeichnet), deren Maxima vorwiegend im Bereich bis etwa 6 Hz auftreten (Abb. 1, Abb. 2).

Abb.1: Spektrum des Infraschalls aus zwei WEA, gemessen mit einem Infraschallmikrofon 

Grüne Linie: außerhalb des Gebäudes, Grundfrequenz der Rotoren bei ca 0,7 Hz und sechs deutliche Maxima der Oberschwingungen bis ca 6 Hz (BPF: blade pass frequency)
Rote Linie: gleiche Messung im Haus. Die Gesamtintensität sinkt, da Hintergrundgeräusche gedämpft werden, nicht aber die Intensität der Oberschwingungen relativ zum Hintergrund.
Schwarze Linie: Hintergrundrauschen bei ausgeschalteter Anlage.
Windanlagen: Fa. Vestas, 1,65 MW, Entfernung 421 m und 792 m.
Quelle: Firma NOISE CONTROL ENGINEERING, LLC, Billerica, MA 01821, USA: Infrasound Measurements of Falmouth Wind Turbines Wind #1 and Wind #2.
Technical Memo 2015 004.

Abb.2: Ein typischer Infraschall-Puls von einer WEA

Die von WEA ausgehenden Infraschall­pulse schwanken mit Windgeschwin­dig­keit und Drehzahl und werden von Hinter­grundschall und Geräuschen im hörbaren Bereich überlagert. Um sie unabhängig von diesen Störquellen darzustellen, kann man entweder vom Infraschallspektrum der Anlage ausgehen oder den gemein­sam­en Anteil in einer großen Zahl von Um­lauf-Perioden ermitteln.

Für das gezeigte Bei­spiel wurde der Schall­druck im Abstand von 420 m von einer WEA mit 1,5 MW Nominalleistung mit einem Mikrofon aufgezeichnet. Die Zeit zwischen zwei aufeinander folgenden Flügelpassagen betrug ca. 1,1 s (Grundfrequenz der Rotoren ca. 0,9 Hz). Die Kurven visualisieren den zeitlichen Druckverlauf während einer Flügelpassage. Der emittierte Infra­schallpuls besteht zunächst aus einem kurzzeitigen Überdruck (Kompression der Luft bei der Annähe­rung des Flügels an den Turm), dem ein kurzzeitiger Unterdruck folgt (Sog nach der Passage des Turms).
Der zeitliche Druckverlauf im Infraschallbereich wurde durch die o.g. Methoden ermittelt. Blaue Linie: extrahiert aus dem Schallspektrum der Anlage im Bereich bis 10 Hz durch ein mathematisches Verfahren (Fourier-Transformation). Rote Linie: kohärente Überlagerung des Druckverlaufs von ca. 4000 Passagen.
Die übereinstimmenden Zeitkurven belegen die starke Periodizität des emittierten Infraschalls. Quelle: Vanderkooy, J., Mann, R.: Measuring Wind Turbine Coherent Infrasound. 6th International Conference on Wind Turbine Noise, Glasgow 2015.

Gegenwärtig gibt es keine gesetzlichen Vorschriften, die vor Infraschall aus WEA schützen, da der Geltungs­bereich der TA Lärm bei 8 Hz endet. Es gibt daher Vor­schläge, in Zukunft auch den niederfrequenten, kritischen Infraschall-Bereich un­ter 8 Hz in die Messvorschriften der DIN 45680 einzubeziehen.

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2. Wie groß ist die Reichweite von Infraschall aus WEA?

Die Reichweite des luftgetragenen Infraschalls aus WEA ist inzwischen aus­rei­chend dokumentiert, etwa durch Messungen der BGR (2), welche die Emis­sionen von Druck­pulsen aus WEA in bis zu 10 km Entfernung zeigen (auch nach Berück­sich­tigung zwischenzeitlicher Korrekturen), die TremAc-Studie (6) hat 2,5 km Ab­stand belegt (größere Abstände wurden nicht untersucht) und seismische Vibra­tionen bis 9 km festgestellt. Eine kanadische Studie (5) hat Infraschallmaxima aus WEA in 6,2 km Abstand erfasst. Auch Gesundheitsprobleme, die vielfach von An­wohnern von WEA berichtet werden, treten in ähnlichen Abständen auf. Für die Leitsymp­tome „hochgradiger Schlafmangel“ und „Schwindelanfälle“ kann noch in Entfer­nun­gen von 4-5 km eine signifikante Häufung nachgewiesen werden. Die Sympto­me klingen mit der Entfernung ab und liegen in 10-facher Anlagenhöhe noch etwa 30 % über dem Normalwert (4). Trotz lokaler und meteorologisch be­ding­ter Un­ter­schiede kann als gesichert gelten, dass Infraschall aus WEA in meh­reren km Entfernung von einer Windanlage auftritt und in der Lage ist, dort ge­sund­heitlich negative Wirkungen auszulösen.



3. Infraschall ist unhörbar. Warum stellt Infraschall aus WEA trotzdem ein Gesundheitsrisiko dar?

Das für gesundheitliche Risiken entscheidende Charakteristikum des Infraschalls aus WEA ist nicht die Höhe des Schalldrucks, sondern die Frequenz und Steilheit seiner Änderungen (1). Dabei handelt es sich um Pulse des Luftdrucks, die durch Kompression der Luft zwischen den rotierenden Flügeln und dem Mast entstehen Abb. 2). Ihre Grundfrequenz wird durch die Drehzahl der Anlage bestimmt und liegt bei heutigen Anlagen meist zwischen 1 – 3 Hz (bei Drehzahlen zwischen 20 U/min und 60 U/min), hinzu kommen deutliche Oberschwingungen (Harmoni­sche) im Bereich bis etwa 10 Hz (Abb. 1). Dagegen verursacht pulsfreier Infra­schall, z.B. ein „statistisches“ oder „unstrukturiertes“ Rauschen des Windes an einer ruhenden Anlage, keine wesentlichen Gesundheitsschäden, auch wenn er ähnlich hohe Schalldrucke erreicht wie aus einer rotierenden WEA. (Ein unstruk­turiertes Rauschen entsteht auch bei natürlichen Quellen wie der Meeresbran­dung und bei der häufig kolportierten „Autofahrt mit offenem Fenster“.)

Die Wahrnehmung von Infraschall im menschlichen Körper
ist insoweit ab­schätz­bar, als Sensoren für niederfrequente Schwingungen in mehreren Organen und Strukturen existieren, vor allem im Gleichgewichtssystem, aber auch auf zellulärer Ebene. Das Gleichgewichtssystem registriert sehr geringe Änderungen des anliegenden Luftdrucks, obwohl der Gesamt-Luftdruck oder seine lokale Änderung, z.B. an bewegten Körperstellen, um Größenordnungen höher sind. Offenbar enthalten die o.g. Druckpulse eine im Gehirn verwertbare Information. Auch wenn viele Details zur biologischen Wirkung der Infraschallpulse aus WEA noch ungeklärt sind, ist erkennbar, dass Infraschall im Menschen als Stressor be­wertet und beantwortet wird. So aktiviert z.B. sinusförmiger Infraschall ähnlicher Frequenz (12 Hz) definierte Regionen im Gehirn von exponierten Personen, ohne einen Höreindruck zu erzeugen (3). In diesen Gehirnregionen werden u.a. gesund­heit­liche Parameter gesteuert, die bei Anwohnern von Windanlagen oft als ge­stört diagnostiziert wurden, wie Atemfrequenz, Blutdruck und Angstreaktionen. Derartige Befunde sind häufig Ausgangspunkte für Folgeschäden.



4. Was wird seitens der Politik bzgl. der Infraschallproblematik unternommen ?

Ein Gesundheitsrisiko für Anwohner von Windanlagen wird offiziell nicht mehr bestritten, auch wenn in staatlich veranlassten Studien Infraschall nicht als Ur­sa­che der Beschwerden festgestellt wird. Dies ist sachlich darauf zurückzufüh­ren, dass die o.g. Spezifika des Infraschalls aus Windanlagen nicht in die Untersuchung eingingen: eine Studie des Umweltbundesamtes (8) hat Tests mit künstlich er­zeugtem sinusförmigen Infraschall durchgeführt, der nach eigener Aussage in der Realität so nicht vorkommt. Eine finnische Studie (7) hat die Beschwerden der An­wohner von WEA zwar erfasst, die gemessenen und in Tests verwendeten Emis­sionen jedoch als sogenannte Terzspektren aufgenommen, welche die emittierten Oberwellenmaxima nicht erfassen können.

Die Gesundheitsgefahr von Infraschall steht nicht im Zusammenhang mit der Hör- oder Wahrnehmungschwelle (letztere Bezeichnung ist besonders irreführend). Beide Grenzwerte widerspiegeln die Empfindlichkeit des Hörprozesses in der Cochlea: sie bezeichnen den Schalldruck, den 50 % der Bevölkerung (Hörschwelle) bzw. 90 % (Wahrnehmungsschwelle) im Test nicht mehr hören. Infraschall wird auf anderen Wegen und Mechanismen aufgenommen und verarbeitet als Hör­schall.

Die stetig steigende Größe neuer WEA führt zu größeren Rotor-Durchmessern. Dieser betrug z.B. 82 m bei der im Jahr 2010 eingeführten Anlage E82-E2, und 160 m bei der seit 2020 aufgestellten Anlage E 160-EP5. Damit steigt die Länge der Luftsäule, die bei der Passage der Flügel vor dem Mast komprimiert wird, und die Emissionen werden in niedrigere Frequenzbereiche verschoben. Dies führt zu einer höheren Reichweite und tendenziell erhöhtem Gesundheitsrisiko für Anwo­hner.

Eine umfängliche Begründung der Gesundheitsgefahr durch Infraschall aus Windanlagen und ihre Erklärung auf biologisch-medizinischer Ebene erfordert sowohl weitere Messungen aktueller Emissionen als auch Forschung im Labor- und Feldversuch. Die Physik des Schalls, die Biologie von Signalen und Rezeptoren und gesundheitliche Befunde an Anwohnern bieten sinnvolle Ansatzpunkte. Ob­wohl naheliegend, wurde es z.B. bisher vermieden, die reale, pulshaltige Emis­sion einer WEA im Infraschall-Bereich aufzuzeichnen und damit Testpersonen im Blind­versuch oder im Schlaflabor zu konfrontieren. Das engere Heranrücken von WEA an menschliche Siedlungen sollte den Druck erhöhen, kausale Unter­suchungen von konkreten Emissionen entschiedener einzufordern.




Referenzen

1) Roos W, Vahl Ch: Infraschall aus technischen Anlagen-wissenschaftliche Grundlagen für die Bewertung gesundheitlicher Risiken. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed (ASU) 2021; 56: 420-430. Antworten auf Lesermeinungen in ASU 2021; 56: 719-725, und ASU 2022; 57:53-61.

2) Pilger C, Ceranna L: The influence of periodic wind turbine noise on infrasound array measurements. J. Sound Vib. 2017; 388: 188-200, https://doi.org/10.1016/j.jsv.2016.10.027 sowie Replik in J. Sound Vib. 2021, https://doi.org/10.1016/j.jsv.2021.116310.

3) Weichenberger M, Bauer M, Kühler R, et al.: Altered cortical and subcortical connectivity due to infrasound administered near the hearing threshold - Evidence from fMRI. PLOS one 2017; 12: e01744201. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0174420

4) Paller C: Exploring the association between proximity to industrial wind turbines and self-reported health outcomes in Ontario, Canada. MSc Thesis Univ. Waterloo, 2014.

5) Palmer WKG: Why wind turbine sounds are annoying, and why it matters. Global Environ Health Safety 2017; 1: 12-17.

6) Kudella P: TremAc-Schlussbericht, Version Juni 2020. Objektive Kriterien zu Erschütterungs- und Schallemissionen durch Windenergieanlagen im Binnenland. Verbundprojekt des BMWi.

7) Maijala et al.: Infrasound Does Not Explain Symptoms Related to Wind Turbines,  Publications of the Government’s analysis, assessment and research activities 2020:34

8) Lärmwirkungen von Infraschallimmissionen, UBA 163/2020


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